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Von: Mario Giglio
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Animeregisseur Satoshi Kon wäre diese Woche 60 Jahre alt geworden, verstarb aber leider schon im Jahr 2010. Zurückgelassen hat er eine beinahe makellose Filmografie mit vier fantastischen Filmen und einer ebenso faszinierenden Serie, auf die wir heute zurückblicken.
Mit Satoshi Kon verlor die Animewelt 2010 eine ihrer unverzichtbarsten Stimmen im Alter von nur 46 Jahren. Nachdem er sich als Mangaka, Drehbuchautor und Animator zu Beginn seiner Karriere einen Namen gemacht hatte, arbeitete er ab Mitte der 90er Jahre an eigenen Projekten als Regisseur. Vier abendfüllende Animefilme und eine Animeserie produzierte er bis zu seinem Tod mit dem Studio Madhouse. Diese wollen wir Euch auf den folgenden Seiten kurz vorstellen, denn am 12. Oktober wäre Kon diese Woche 60 Jahre alt geworden.
Sein letztes vollendetes Projekt war übrigens der 2008 produzierte Kurzfilm „Good Morning“. Das Filmprojekt „Dreaming Machine“ wurde nach dem Tod des Filmemachers eingestellt.
„Perfect Blue“ (1997)
Der Psychothriller „Perfect Blue“ ist eine äußerst nervenaufreibende Anime-Angelegenheit, die gerne mit den Filmen von Hitchcock verglichen wird und von Darren Aronofsky zum Teil für „Black Swan“ abgekupfert wurde. Die Idol-Sängerin Mima wendet sich darin von ihrer J-Pop-Gruppe ab, um Schauspielerin zu werden. Das sieht ein von ihr besessener Stalker überhaupt nicht gern - vor allem, als sie sich auf degradierende Rollen in schlüpfrigen Filmen einlässt.
Gleichzeitig spielt Mima in einer Serie mit, in der es um eine Frau in einer ähnlichen Situation mit gespaltener Persönlichkeit geht. Hat die Handlung am Ende mehr mit ihrem Leben zu tun, als Mima es wahrhaben möchte? Diese Frage stellt sich spätestens, als ihre Pop-Persona ihr als Doppelgängerin erscheint und scheinbar mit ihrem Umfeld interagiert. Als dann auch noch Morde um Mima herum geschehen, droht die Grenze zwischen Realität und Fiktion zu verschwimmen und die Suche nach Identität und dem wahren Täter nimmt gefährliche Ausmaße an...
Wo kann man es sehen?
Aktuell ist „Perfect Blue“ leider nirgendwo legal streambar. Die DVD und Blu-ray zum Film erschien hierzulande bei Rapid Eye Movies.
Hier der Trailer:
„Millennium Actress“ (2001)
In „Millennium Actress“ wird die berühmte Schauspielerin Chiyoko Fujiwara, die sich vor 30 Jahren aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, von einem Dokumentarfilmer interviewt. Ein goldener Schlüssel, den sie damals vermeintlich im Studio vergessen hatte, öffnet die Tür zu ihren Erinnerungen, die während der Erzählung mit den Geschichten ihrer Filme verschmelzen. So lässt man Chiyokos Karriere und die japanische Geschichte des letzten Jahrhunderts Revue passieren, wobei der Interviewer und sein Kameramann immer wieder als Komparsen auftauchen.
Poetisch und manchmal surreal vermischt der Film Chiyokos Erinnerungen an ihre Liebe zu einem Maler und Kriegsgegner, der vom faschistischen Regime Japans gesucht wurde, mit der fiktiven Traumwelt von Filmen, die vom Kurosawa-artigen Historiendrama über Kaiju-Monsterfilme bis hin zum „2001“-mäßigen Science-Fiction-Drama reichen. Ein bewegender Liebesbrief an das Medium mit unglaublichem Editing, das nicht nur für Anime-Fans interessant sein sollte, was andererseits eigentlich für fast alle Kon-Projekte gilt...
Wo kann man es sehen?
„Millennium Actress“ ist hierzulande bei Crunchyroll streambar. Entweder in der japanischen Originalversion mit deutschen Untertiteln oder in der erst für die deutsche Kino-Aufführung 2021 produzierten, deutschen Synchronfassung.
Hier der Trailer:
„Tokyo Godfathers“ (2003)
Ein waschechter Weihnachtsklassiker ist „Tokyo Godfathers“, der seit 20 Jahren bei vielen nicht zur festlichen Zeit fehlen darf. Drei Obdachlose, der Alkoholiker Gin, die trans Frau Hana und die junge Ausreißerin Miyuki, finden darin ein Baby im Müll und schwören, es zur Mutter zurückzubringen. Die Schnitzeljagd zum Familiengeheimnis des Findlings führt die kleine Ersatzfamilie quer durch das nächtliche Tokio an allerlei illustren Gestalten und Schicksalen vorbei, beleuchtet die Hintergrundgeschichten der drei Unheiligen aus dem Land der aufgehenden Sonne und bringt die eine oder andere überraschende Wendung mit sich.
So dramatisch es klingt, so lustig ist es gleichzeitig, denn Kon ist vor allem ein Meister des Schnitts und der Übergänge und er versteht es, melodramatische Momente mit perfektem Timing amüsant aufzulockern. Schwierige Themen wie Obdachlosigkeit und Sucht werden mit viel Liebe für die komplexen Charaktere, herzigem Humor und kunstvoller Movie-Magie angegangen.
Wo kann man es sehen?
„Tokyo Godfathers“ ist als Leih- und Kauftitel bei Amazon Prime Video, Apple TV+, Google Play und MagentaTV zu haben.
Hier der Trailer:
„Paranoia Agent“ (2004)
Die Mysteryserie Paranoia Agent beginnt damit, dass die Charakterdesignerin des populären Cartoon-Maskottchens Maromi unter Druck gerät, einen Folgehit zu schaffen und eines Nachts vom sogenannten Shonen Bat angegriffen wird. Der geheimnisvolle Junge mit goldenen Roller-Skates und goldenem Baseballschläger erscheint Folge für Folge weiteren Personen, die sich in einer stressigen Situation befinden, die sie nicht mehr aushalten und ihr entfliehen wollen. Das bereitet sowohl der Polizei als auch den Zuschauenden Kopfzerbrechen.
Bis zum fulminanten Ende des 13-teiligen Formats werden Themen wie Eskapismus und persönliche sowie kollektive Verantwortung verhandelt, während wir geradezu unter einer Welle von Einfällen begraben werden. Satoshi Kon brachte hier nämlich sämtliche Konzepte unter, die er bis dahin nicht in Filmen verarbeitet hatte. So stehen einige Episoden beinahe wie kleine Vignettes für sich und enthalten äußerst identifizierbare Kon-Themen.
Wo kann man es sehen?
Leider ist auch Paranoia Agent derzeit nicht streambar. Die DVD und Blu-ray zur Serie erschien hierzulande bei Kazé.
Hier der Trailer:
„Paprika“ (2006)
Noch mehr Ideen und Kreativität steckt in Kons letztem Film „Paprika“, der oft als Anime-„Inception“ beschrieben wird, im Gegensatz zum Nolan-Film das Traumkonzept aber voll und ganz ausschöpft. Die psychologische Wissenschaftlerin Dr. Chiba und ihr Traum-Alter-Ego Paprika machen darin gemeinsame Sache, um dem Missbrauch der von Chiba mitentwickelten Traum-Technologie auf den Grund zu gehen. Mithilfe des Geräts DC Mini kann man Träume nicht nur aufzeichnen, sondern auch in die von anderen eindringen und sie manipulieren, doch irgendjemand bringt die Menschen dazu, wahnsinnig zu werden, während sie sich einer kollektiven Traumparade anschließen.
Gleichzeitig versucht Paprikas Patient, der ermittelnde Detective Konakawa, sein Trauma zum Thema Filme zu überwinden. Doch wo hören diese auf, wie unterscheiden sie sich von Träumen und wo beginnt die vermeintliche Realität? Eine Frage, auf die es wie auch in vielen Werken von David Lynch, nicht immer eine klare Antwort gibt.
Wo kann man es sehen?
„Paprika“ ist als Leih- und Kauftitel bei Amazon Prime Video, Apple TV+ und Google Play zu haben.
Hier abschließend noch der Trailer: